Kapitel 13 -Proteinschock-

14.07.2015 15:02

Montag, 22. Juni 2015

Der letzte Eintrag liegt nun schon eine Weile zurück.
Nein, ich habe nicht aufgegeben, mache keine Pause und bin durchaus zuversichtlich, was den weiteren Verlauf meiner Pläne angeht. Die Schreibpause ist familiären Angelegenheiten geschuldet, die mich seelisch und zeitlich sehr in Anspruch genommen haben.
Die fünfte Stunde Ernährungsberatung habe ich hinter mich gebracht. Vitamine, Proteine, Mineralien waren die Themen. Die Oekotrophologin war in Begleitung erschienen, es war eine kleinere Ausgabe ihrer selbst, wurde aber nicht vorgestellt und saß dann schweigend an ihrer Seite. Der Unterricht verlief äußerst schleppend, da unsere Beraterin seltsam verlangsamt wirkte, ja schon beinahe abwesend, was wohl daran lag, dass sie in Gedanken schon im Mutterschutz war, den sie zwei Tage später beginnen sollte.
„Welche Vitamine kennen Sie denn?“ fragte sie matt.
Es wurden diverse Buchstaben in die Runde gerufen, die sie träge abnickte, bis ich dann
„B, A, S und F!“ hinzufügte.
„Das ist ja total falsch!“ kam es dann erstaunlich flott aus ihrem Munde.
„War ein Witz“, maulte ich gelangweilt.
Nun gut, Witz ist, wenn einer lacht. Also war es nicht sooo witzig. Aber vielleicht kennt keiner die Badische Anilin- & Soda-Fabrik BASF, die größte Chemiefabrik der Welt.
Wir hatten mal wieder Besuch von zwei Teilnehmerinnen aus einem anderen Ernährungskurs. Die beiden waren offensichtlich Freundinnen, recht jung, ziemlich klein und überschminkt wie osteuropäische Zwangsprostituierte. Die Blondgefärbte ging am Stock.
„Wo sind denn Proteine drin?“ wollte die Oekotrophologin von uns wissen.
„In Proteindrinks“, kam es prompt aus der Gästeecke,
„Die müssen wir ja trinken, wegen der Operation.“
Ich war einigermaßen entsetzt. Noch nie im Leben habe ich Proteindrinks zu mir genommen.
Zu dem Themenkomplex: ,Ernährung im direkten Zusammenhang mit der OP‘ wollte die Oekotrophologin allerdings nicht antworten, denn das würden wir alles von den behandelnden Ärzten erfahren.
Meinen zweiten Arzttermin werde ich am 21. Juli haben, dann erfahre ich hoffentlich Genaueres, und bis dahin sollte ich mich nicht verrückt machen lassen. ,Erst in die Pfütze springen, wenn Wasser drin ist!‘
Die Stunde ging, ohne weitere Erkenntnisse für mich, ihrem Ende zu. Die Oekotrophologin war schon bei der Verabschiedung, als ich dann doch wissen wollte, wen sie uns denn da mitgebracht hätte.
„Ach so, ja sie wird die nächste Stunde machen.“
„Und wie heisst sie bitte?“
„Ach ja, das ist die Frau Zock.“
,Na, geht doch‘, dachte ich bei mir.
Mit allen guten Wünschen verabschiedeten wir die Oekotrophologin in den Mutterschutz.

Für den Antrag auf Kostenübername bei der Krankenkasse ist ein psychologisches Gutachten erforderlich. Das kostet 150,- EURO.
Von der Abteilung ,Adipositas-Chirurgie‘ des Krankenhauses bekam ich die Adresse einer Psychologin, die solche Gutachten macht. Es stand mir frei, einen anderen Psychologen zu wählen, aber der Einfachheit halber machte ich einen Termin bei der empfohlenen Adresse. Den Fragebogen, den ich per Post zugestellt bekam, hatte ich ausgefüllt mitzubringen. Psycho-Tests ausfüllen ist für Frauen eine leichte Übung, denn wir lesen Frauenzeitschriften, die solche Tests zum Ankreuzen in jeder Ausgabe anbieten, z.B. um herauszufinden, welcher Mann zu uns passt, wie sensibel wir sind, welche Topfpflanzen wir in die Wohnung stellen und welche Farben wir auf gar keinen Fall im Schlafzimmer verwenden sollen.
Ich machte brav meine Kreuzchen, schön gemütlich am Küchentisch: ich höre keine Stimmen, ich fühle mich nicht von Außerirdischen gesteuert (weder von grünen Männchen, noch von einem bärtigen alten Mann), ich kontrolliere nicht zehn Mal ob, ich den Herd ausgeschaltet habe, und die Momente, in denen ich mein Leben als Strafe empfinde, sind nicht weiter erwähnenswert. Das Gespräch mit der Psychologin Frau Harm verlief angenehmer, als es der Name vermuten ließ. Sie war eine hübsche, dunkelhaarige, junge Dame mit einem kleinen Piercing unter der Unterlippe. Wir gingen den Fragebogen nochmal gemeinsam durch und hatten durchaus Spaß an manchen Fragen, ohne die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit aus den Augen zu verlieren. Ich empfand sie als freundlich und zugewandt, was sie mir übrigens in ihrem Gutachten ebenfalls bestätigte. Inzwischen ist das Gutachten auch schon in meiner Projektmappe gelandet und bescheinigt mir, dass aus psychologischer Sicht keine Kontraindikationen für die Magen-OP bestehen.
Na also, wieder einen Schritt weitergekommen!
155,5 Kilo…!