Kapitel 15 - kleingedrucktes -

29.09.2015 15:31

Freitag, 17. Juli 2015

Die letzte Einheit ,Ernährungsberatung‘ habe ich nun auch hinter mich gebracht. Am Start diesmal Frau Zock in Vertretung der werdenden Mutter. Die kleine, muntere Frau Zock kam mit einem Umzugskarton voller Lebensmittelverpackungen in den Seminarraum. Wir sollten nun jeder zwei oder drei Verpackungen auswählen, die wir so normalerweise in unseren Einkaufswagen legen. Wie alle anderen wühlte ich in dieser Auswahl herum, meine Mundwinkel bewegten sich nach unten, ich sah nichts, was den Weg in meine Küche finden würde, bis ich dann doch auf das halbe Pfund Butter stieß. Es war allerdings mit Pflanzenöl versetzt, um die Streichfähigkeit zu erhöhen. Auf solchen ,Firlefanz‘ verzichte ich im wirklichen Leben.
Nun wurden unsere Produkte ausgewertet. Viele hatten Tiefkühlpizza, Kartoffelchips, kalte Kaffeegetränke und allerlei Fertiggerichte ausgewählt.
Jetzt wurde es tatsächlich schwierig, denn die Aufgabe war, den Kaloriengehalt dieser Produkte vorzulesen. Nicht dass die TeilnehmerInnen des Lesens unkundig gewesen wären, aber die Angaben sind natürlich von Herstellerseite aus unglaublich winzig aufgedruckt, unübersichtlich und zum Teil irreführend beschriftet. Stark gezuckerte, Glucose-Fructose-Sirup enthaltende Produkte werden als ,fettarm‘ angepriesen oder die Margarine als glutenfrei.
Kaloriensieger des Abends war ein Produkt aus dem Hause ,Dr. Oetker‘: Tiefkühlpizza Salami mit 1600 kcal.!!! Eine Hauptmahlzeit für einen Erwachsenen sollte 600 bis 800 kcal. haben.
Da wurden viele Gesichter in der Runde ganz schön lang, denn diese Tiefkühlpizzas erfreuen sich großer Beliebtheit und führen zu ebenso großer Beleibtheit, zumal fast alle ihre Pizzas noch aufrüsten mit zusätzlichem Käse und/oder, und das war mir neu, mit Kräuterbutter auf dem Rand.
Der Abschied von ,Latte macchiato‘ aus dem Kühlregal wird einigen wohl auch ziemlich schwerfallen.
„Ich trink die total gerne, diese Latte matschiato!“
Ich dachte, das sagen eher die Leute in den neuen Bundesländern, etwa so, wie ich es in einem Rostocker Café von der Servicekraft gehört hatte:
„Een Ladde madschiado und zwee Modscha madschiado.“

Wie auch immer, da saß ich nun mit all meinen bereits vor langer Zeit erworbenen Erkenntnissen und teilte doch dasselbe Schicksal mit den anderen SeminarteilnehmerInnen.
Ich fand das in diesem Moment sehr entmutigend. Gedanken drängten sich auf: „Na, die müssen sich auch nicht wundern, wenn sie so einen Sch... fressen! Wieso bin ich so schwer geworden, wo ich mir doch seit Jahren Mühe gebe, mich vernünftig zu ernähren? Was soll das alles?“
Aber eines war auch klar, ich brauche diese OP wirklich, damit mein Körper weniger Nährstoffe aufnehmen kann, egal ob gesund, vernünftig und ausgewogen oder ungesund, gedankenlos und einseitig.
Immerhin, ich hatte an allen erforderlichen Maßnahmen teilgenommen, alle Bescheinigungen beisammen und konnte nun den Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse stellen.
Und dann erst mal an die Nordsee.

SOMMERPAUSE