Kapitel 2 -Ernährungsberatung-

06.05.2015 14:39

Sonntag, 29. März 2015

   Nun habe ich schon einige Termine der sportlichen Art hinter mich gebracht, und zu meiner freudigen Überraschung macht das wirklich Spaß. Unsere Moppelhops-Vorturnerin heißt Jasmin und ist sehr freundlich und fürsorglich. Es darf anstrengend sein, aber nicht schmerzen. Alle Moppel sind geschickt im Bälle werfen und fangen, und die weiblichen Teilnehmerinnen verfügen auch über mehr Grazie, als sich der Laie ausmalen mag. Das ganze Training wird mit Musik absolviert, und ich konnte ein Helene-Fischer-Verbot durchsetzen!

    Letzte Woche kam ein neuer Teilnehmer, ein sehr großer (über 2 Meter) Mann, der den Musikwunsch „Rammstein“ und „ACDC“ hat, aber die Damen in der Gruppe schauten skeptisch und der bereits vorhandene Herr steht auf „Pur“ - naja, Männer eben. Wir Mädels stehen auf Jennifer Lopez und ABBA ...

  Beim Aquafit trainiert uns Gill.

   Bewegung im Wasser ist für mich die Befreiung von der Erdenschwere, Aufhebung der Schwerkraft und beschert mir die unglaubliche Leichtigkeit des Sports. Matthias ist der einzige Mann in der Truppe, die ansonsten aus mehr oder weniger moppeligen Damen im besten Alter besteht. Und das Training ist durchaus als stramm zu bezeichnen, was ich ganz grossartig finde, denn an Land könnte ich das alles gar nicht machen: in grossen Schritten laufen, springen, dabei die Knie ganz hochziehen ...

   Und nach dem Training bin ich dann erschöpft, aber sehr zufrieden und ein wenig stolz auf meine Leistungen.

   Nun gehört zum Pflichtprogramm vor der Bewilligung der OP auch die Ernährungsberatung, die einmal im Monat im Konferenzraum des St. Franziskus stattfindet. Beim ersten Termin standen bei meiner Ankunft schon einige Moppels vor der verschlossenen Tür und warteten auf die Oecotrophologin, und ich konnte mir ein: „Na hier ist ja schwer was los“, nicht verkneifen.
 
   So ein Konferenz- oder Seminarraum, grauer Teppichboden, rechteckige Tische zu einem großen Rechteck zusammengestellt, künstliche Beleuchtung, vorne eine Leinwand, der eine oder die andere wird so was kennen, wirkt auf mich jedes Mal deprimierend. Das ist keine geeignete Umgebung für ein etwas in die Jahre gekommenes Bühnenmädchen. Aber mein guter Wille war da, und ich konnte mir vorstellen, dass ich durchaus noch Informationen erhalten könnte, die mir noch nicht bekannt sind.
 
   In der ersten Unterweisung (anderthalb Stunden) hatten wir gleich eine „Vertretungslehrerin“. Die war ganz in Ordnung und war sich darüber im Klaren, dass Menschen mit Übergewicht in der Regel eine Menge über Ernährung wissen, und so konnte ich das Ganze recht gut ertragen, sammelte die „Hand-outs“ in meine Mappe und bewunderte die Nährwertpyramide etc.

   Was mich verblüffte: ich war die älteste Teilnehmerin! Die meisten waren zwischen Mitte 20 und Mitte 30!

  Beim zweiten Termin kam dann die eigentlich zuständige Oecotrophologin und die fand ich anstrengend, wie übrigens auch die jüngeren Mädels in der „Klasse“. Da wurde geschwätzt und gegiggelt, während sich neben mir eine türkische Dame von ihrem Sohn immer wieder was übersetzen ließ. Undisziplinierte Gruppen sind mir körperlich unangenehm.

   Es wurden dann runde Pappbilder ausgeteilt, auf denen Nahrungsmittel zu sehen waren, so was wie: eine Portion Fritten, aufgeschnittene Tomaten oder Gurken, eine Salzkartoffel, eine Portion Nudeln, und in meiner Reichweite lag ein Bild mit einem Hähnchenschenkel. Daraus sollte wir nun eine Mahlzeit zusammenstellen. Klar, haben natürlich alle richtig gemacht, klar ganz gesund und ausgewogen, alles prima. Ich hatte den erwähnten Hähnchenschenkel (roh, ohne Haut fotografiert) und wurde von der Lehrerin gefragt, ob ich den (Augenzwinker) mit oder ohne Haut nehmen würde. Getreulich antwortete ich:
   „Mit Haut“ worauf die 24jährige Bäckereiverkäuferin ein lautes:
„!Iiiihh!“ vernehmen ließ. Ich verbat mir daraufhin abwertende Äusserungen zu den Ernährungsvorlieben anderer Teilnehmer, weil das unhöflich sei. Sie entschuldigte sich kleinlaut.

   Aber es wurde noch besser, als die Auszeichnungspflicht für Lebensmittel zur Sprache kam, denn da meinte die Lehrerin, niemand wolle schließlich Esel oder Pferd essen!

   Ich dachte, ich hör´ nicht recht!

   Ich sagte, dass ich in Spanien sehr köstliche Eselssalami kennengelernt hätte, und dass es sicherlich nicht zu ihren Aufgaben gehöre, uns ihren persönlichen Geschmack zu vermitteln. Das hat sie dann auch eingesehen und meinte, dies sei ja keine Anweisung gewesen, sie hätte doch nur etwas von sich preisgegeben.

   Wie unschwer zu erkennen ist, mache ich mich in dieser Gruppe nicht so gut, kein Mensch hat Klugscheißer lieb, aber was soll´s, nur noch vier Mal.