Kapitel 9 -unter der Oberfläche-

06.05.2015 15:39

Montag, 3. Mai 2015

Was schreibe ich hier eigentlich?

   Mein Plan war es, über den Weg zur OP zu berichten. Das mache ich.

   Natürlich beschreibe ich besonders gerne die Absurditäten und Merkwürdigkeiten, die kleinen Pannen und Malheurs, doch soooo viele sind das nun auch nicht, worüber ich eigentlich froh sein sollte.

   Also beschäftige ich mich mit der Frage, wie es denn überhaupt so weit kommen konnte.
Und schon befinde ich mich im großen Aktenschrank mit den Erinnerungsschubladen, die ich je nach Thema aufziehe, darin wühle und stöbere, mich vergesse auf dieser Zeitreise, eintauche, um eine Erinnerung wie einen Schatz an die Oberfläche zu bringen und aufzuschreiben.

   Der Bericht über meine „Blitzkarriere“ an der Realschule Porz-Wahn liest sich wie ein Abschnitt aus meinem Lebenslauf, Fakten, Fakten, Fakten ... und tatsächlich habe ich damals alles dafür getan, Anerkennung und Zuneigung zu bekommen, nicht zuletzt von meiner Mutter, aber selbstverständlich auch von MitschülerInnen und LehrerInnen.

   Meine Hauptenergiequelle war Trotz. Wenn ich schon dick war, dann doch bitte nicht auch noch doof. Wenn schon unglücklich in meinem Körper, dann aber wenigstens beliebt bei den MitschülerInnen. Wenn schon groß, dann auch großartig.

   Trotz meiner drei Sport- und zwei Musik-AGs verbrachte ich immer noch genug Zeit alleine zu Hause, mit meinem Stubenarrest, ich übte wie eine Irre Blockflöte und Akkordeon, denn das vertrieb die Grübeleien darüber, wie es wohl wäre, wenn ich dünn wäre, wenn ich schön wäre, wenn meine Eltern nicht geschieden wären, wenn ich einen festen Freund hätte, wenn ich einfach nicht ich wäre.